No. 9: Regeln

von Thomas Freiberger

Regeln des vernnünftigen Investierens

Regeln_Investieren_Geldanlage

 

Komplexe Probleme erfordern nicht notwendigerweise komplexe Lösungen. Wie die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, länger zu leben, wenn man weniger Alkohol trinkt, nicht raucht, sich ausgewogen ernährt und ausreichend bewegt, können es einfache Ansätze sein, die zum Erfolg führen. Die Schwierigkeit liegt eher darin, einfache Wahrheiten zu akzeptieren, umzusetzen und einzuhalten.

Dies trifft auch für die Verwaltung von Vermögen zu.

Im Folgenden eine Sammlung einfacher Regeln, die Ihnen helfen, Ihre finanziellen Ziele zu erreichen (1):

1. Nehmen Sie nicht mehr Risiko auf sich als Sie tragen können, wollen oder brauchen.

Die besten Investmentpläne scheitern oft daran, daß zuviel Risiko eingegangen wurde. Risiken treten unerwartet auf. Obwohl ein Anlagezeitraum von über zehn Jahren geplant war, wird ein Anleger beim Auftreten von Risiken zu einem Anleger mit einem Anlagehorizont von zehn Tagen. Meist führt dies zur Aufgabe eines Investmentplans. Wenn Sie einen Investmentplan entwickeln, bedenken Sie Ihren Anlagezeitraum, die Sicherheit Ihres Einkommens und Ihre Fähigkeit, Verluste emotional zu ertragen. Bedenken Sie auch, ob es wirklich notwendig ist, Risiken einzugehen, und etwas weniger an erwarteter Rendite eigentlich ausreichen.

2. Investieren Sie niemals in Anlagen, bei denen Sie die Herkunft der Risiken nicht vollständig verstanden haben.

Wenn Sie die Risiken der Anlagen Ihren Freunden nicht erklären können, sollen Sie die Finger davon lassen.

3. Je komplexer ein Finanzinstrument ist, desto schneller sollten Sie davonlaufen.

Komplexe Finanzinstrumente wurden zum Verkauf erfunden, aber nicht zum Kauf. Sie können davon ausgehen, dass die Komplexität eines Finanzinstruments die Bank, die das Instrument verkauft, begünstigt, aber nicht den Käufer. Investmentbanker spielen nicht den Wohltäter, um Sie mit einer höheren Rendite zu beglücken.

4. Risiko und erzielte Rendite gehören nicht notwendigerweise zusammen; Risiko und erwartete Rendite gehören jedoch zusammen.

Wenn es kein Risiko gibt, gibt es keine höhere erwartete Rendite. Oder anders ausgedrückt: Wenn man eine höhere Rendite in der Zukunft erwarten kann, dann ist auch mehr Risiko in der Zukunft zu erwarten.

5. Wenn ein Finanzinstrument eine hohe Rendite verspricht, dann können Sie davon ausgehen, dass die Risiken höher sind – auch wenn Sie die Risiken nicht erkennen.

Als Anleger sollten Sie nie die erzielte Rendite aus der Vergangenheit mit der erwarteten Rendite für die Zukunft verwechseln. Risiken können versteckt sein. Aber seien Sie sich sicher: die Risiken sind vorhanden.

6. Ein gut ausgearbeiteter schriftlicher Investmentplan ist eine notwendige Bedingung für erfolgreiches Investieren; die hinreichende Bedingung ist die Disziplin, den Investmentplan beizubehalten und das Portfolio wieder zu rebalancieren, wenn es notwendig ist.

Die meisten Anleger besitzen keinen schriftlichen Investmentplan. Emotionen, wie Gier bei steigenden Kursen und Angst und Panik bei fallenden Kursen, können einen wohldurchdachten Investmentplan zerstören.

7. Ein gut ausgearbeiteter Investmentplan ist eine notwendige Bedingung die finanziellen Ziele zu erreichen.

Die Integration eines Investmentplans in eine finanzielle Lebensplanung aus einer Nachfolge-, Steuer- und Risikoplanung (Versicherungen) ist eine hinreichende Bedingung. Die besten Investmentpläne scheitern aufgrund von Ereignissen, die nichts mit den Finanzmärkten zu tun haben. In einer umfassenden finanziellen Lebensplanung müssen deshalb auch persönliche Risiken, wie Berufsunfähigkeit, Unfall, Tod, Pflegefall oder Krankheit berücksichtigt werden.

8. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein sehr unwahrscheinliches Ereignis unmöglich ist, oder dass ein sehr wahrscheinliches Ereignis sicher ist.

Anleger meinen, wenn ihr Anlagehorizont sehr lange sei, nehme das Risiko entsprechend ab. Im Ergebnis gehen sie also zu viel Risiko ein. Investoren, die ein zu hohes Risiko eingehen, werden bei Auftreten des Risikos zu Spekulanten mit einem sehr kurzen Anlagehorizont. Beachten Sie: Im Gegensatz zur herrschenden Meinung, Aktienanlagen seien bei ausreichend langem Anlagehorizont weniger riskant, ist dies nicht der Fall. Aktien waren, sind und bleiben immer riskant. Dies gilt unabhängig von Ihrem Anlagehorizont (2).

9. Die mögliche Folge Ihrer Entscheidungen ist wichtiger als deren Eintrittswahrscheinlichkeit und nicht umgekehrt.

Wir sichern unsere Angehörigen mit einer Risikolebensversicherung ab, wenn die finanziellen Folgen eines Todesfalls schlimmer sind als wenn man keine Versicherung abgeschlossen hätte. Dies sollte unabhängig von der Risikowahrscheinlichkeit gelten. Denn trotz einer geringen Wahrscheinlichkeit des Eintritts wären die Folgen nicht tragbar. Vergleichsweise sollten Investoren ihre Portfolios gegen fallende Aktienkurse mit einem entsprechenden Anteil an guten und sehr guten festverzinslichen Wertpapieren absichern – auch wenn deren Renditen niedrig sind.

„Der Weg vermögend zu werden ist völlig unterschiedlich zum Weg vermögend zu bleiben!“

10. Der Weg vermögend zu werden ist völlig unterschiedlich zum Weg vermögend zu bleiben.

Vermögen entstand oft, indem man als Unternehmer Risiken einging (oder diese Risiken vererbt bekam). Meist waren diese Risiken konzentrierte Risiken, die man auch Klumpenrisiken nennt. Vermögen wird jedoch erhalten, indem man Risiken streut. Und nicht zu viel ausgibt.

11. Das einzige, was schlimmer ist, als Steuern zu zahlen, ist, keine Steuern zahlen zu müssen.

Oft ist ein Vermögen sehr konzentriert, entweder in einem Unternehmen oder in wenige auf Deutschland konzentrierte Aktien. Nur um Steuern zu sparen werden Aktiengewinne nicht realisiert, umstrukturiert und diversifiziert. Vermögenskonzentration hat schon manches Vermögen vernichtet.

12. Der sicherste Hafen in einem Meer aus Unsicherheit ist Diversifikation.

Ein Wertpapierportfolio sollte eine angemessene Aufteilung auf sehr viele unterschiedliche Aktien großer und kleiner Unternehmen, Substanz- und Wachstumsaktien aus allen möglichen Ländern der Welt und guten und sehr guten festverzinslichen Wertpapieren besitzen.

13. Diversifikation funktioniert immer: nur gefallen manchmal die Ergebnisse, manchmal eben nicht.

Diversifikation verringert das Risiko aber nicht die erwartete Rendite. Wenn Sie über sehr bekannte Indizes hinaus, wie dem DAX, diversifizieren und ein globales Aktienportfolio besitzen, kann es Zeiten geben, in denen der bekannte Index, wie der DAX, eine bessere Wertentwicklung hat.

Die Medien werden Ihr Nervenkostüm testen: Bleiben Sie wirklich standhaft und einer vernünftigen und besser diversifizierten Strategie treu, wenn die Medien täglich verkünden, der DAX mit seinen 30 Aktien sei 22% seit Jahresanfang gestiegen? Sie stellen aber nur eine Wertentwicklung von 12% in Ihrem Weltportfolio aus über 11.000 Aktien fest?

14. Die Kurse aller Aktien und sonstiger risikobehafteter Anlagen (wie Hochzinsanleihen und Anleihen von Schwellenländern) neigen dazu, während einer Finanzkrise gemeinsam zu fallen.

Ihr persönlicher Investmentplan sollte das berücksichtigen.

15. Das Entdecken von fehlerhaften Bewertungen (z.B. gewisse Aktien seien zu teuer oder zu billig) ist eine notwendige Bedingung, eine bessere Wertentwicklung als der gesamte Markt zu erzielen; die hinreichende Bedingung ist die Fähigkeit, dauerhaft fehlerhafte Preise nach Kosten für den Suchaufwand auszunützen.

Die Geschichtsbücher sind gefüllt mit Anlegern, die fehlerhafte Bewertungen von Wertpapieren feststellten. Es ist jedoch schwierig, Anleger zu finden, die auch nach Kosten daraus dauerhaft einen Mehrwert schaffen.

16. Das dauerhafte Investieren in Aktien schafft einen erwarteten positiven Mehrwert für ein Portfolio. Kosten und Steuern für häufiges Umschichten leisten einen negativen Beitrag für ein Portfolio.

Risikoaverse Investoren mögen keinen negativen Beitrag. Und die meisten Investoren sind wohl risikoavers. Deshalb verwenden Sie ausschließlich Finanzinstrumente, die sehr kostengünstig und passiv, d. h. mit sehr niedriger Umschlagshäufigkeit, verwaltet werden! Ihre Bank wird Sie nicht lieben.

17. Das Anlegen in wenige einzelne Aktien, Länder, Branchen und spezialisierten Fonds hat mehr mit Spekulieren als mit Investieren zu tun.

Der Markt entschädigt Investoren nur für das Eingehen von Risiken, die nicht wegdiversifiziert werden können. Das allgemeine Risiko von Aktien als Gesamtheit kann nicht wegdiversifiziert werden (sog. systematisches Risiko). Viele Aktien, verschiedene Länder und Branchen in einem Portfolio streuen und verringern die Risiken aus einzelnen Unternehmen, Ländern und Branchen. Jeder vernünftige Investor kann eine breite Diversifikation kostengünstig umsetzen. Der Markt ist folglich nicht bereit, für diese einzelnen, sog. unsystematischen Risiken aus wenigen Aktien, Ländern und Branchen eine Risikoprämien zu bezahlen (William Sharpe, Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 1990).

Deshalb merken Sie sich: Durch Konzentration auf wenige Aktien, Länder oder Branchen entstehen unsystematische Risiken ohne eine systematische Mehrrendite. Allenfalls tritt nur eine zufällige aber nicht dauerhafte Mehrrendite auf. Vernünftige Investoren, die nicht auf Glück und Zufall setzen, nehmen nur Risiken auf sich, für die sie systematisch eine höhere Rendite erwarten können. Investieren statt spekulieren!

18. Wenn Sie eine höhere erwartete Rendite erzielen wollen, müssen Sie mehr Risiko eingehen. Dieses Risiko sollten Sie nur mit Aktien eingehen.

Die Rolle festverzinslicher Wertpapiere besteht darin, die Schwankungen eines Portfolios auf Ihre individuelle Risikotragfähigkeit zu verringern. Und nichts anderes. Höre ich gute Zinsen? Nein, aber gerne als Nebeneffekt.

19. Bevor Sie auf eine Nachricht handeln, halten Sie kurz inne: Überlegen Sie, ob diese Nachricht nicht bereits in den Kursen berücksichtigt ist.

Nur privates, also nicht-öffentliches, Wissen kann Wert haben. Sofern privates Wissen Insiderwissen ist und darauf gehandelt wird, ist dies illegal. Alle sonstigen Nachrichten sollten öffentlich zugänglich sein. Sie können davon ausgehen, daß sich weltweit viele Menschen mit Nachrichten beschäftigen. Sofern Sie also Nachrichten in der Zeitung lesen, in einem Nachrichtenkanal hören oder Ihnen erzählt werden, gehen Sie davon aus, dass der Markt diese Nachricht schon verarbeitet hat. Nachrichten sind vielleicht interessant, aber für die Bestimmung zukünftiger Börsenkurse wertlos, da Nachrichten bereits in den Kursen eingepreist sind.

20. Die gefährlichsten Worte des Investierens sind: “Diesmal ist alles anders“.

Die persönliche Vereinnahmung durch „Diesmal ist alles anders“ ist ein sicherer Weg, in Euphorie oder Pessimismus sehr viel Unsinn zu begehen. Meist entsteht die Vereinnahmung aus fehlendem Wissen über die Finanzgeschichte.

21. Die Wertpapiermärkte können länger irrational bleiben als Sie zahlungsfähig sind.

Blasen gehören zur einer Marktwirtschaft. Sie ereignen sich regelmäßig. Marktwirtschaften arbeiten auch nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“. Investoren sollten jedoch nicht darauf Wetten eingehen. Denn obwohl Blasen am Ende platzen, können sie größer werden und länger dauern als die finanziellen Mittel eines Investors reichen. Im Nachhinein haben es immer alle gewusst und waren schlauer.

22. Wenn es zu gut klingt, um wahr zu sein, dann ist es wohl so.

Wenn Geld auf Raffinesse trifft, dann bekommt die Raffinesse das Geld und das Geld spürt die Raffinesse. Das einzige was beim Investieren nichts kostet, ist die Diversifikation. Der Rest kostet. Fehlendes Wissen kostet am meisten.

23. Arbeiten Sie nie mit einem Vermögensverwalter oder Berater zusammen, der Provisionen erhält.

Provisionen verhindern eine unabhängige interessenfreie Beratung und Verwaltung Ihres Vermögens.

24. Arbeiten Sie nur mit einem Vermögensverwalter, der treuhänderisch und honorarbasiert Ihr Vermögen verwaltet.

Das ist der beste Weg sicherzustellen, dass Ihr Vermögen in Ihrem besten Sinne verwaltet wird. Es gibt keinen Grund davon abzuweichen.

25. Die Dienstleistungen eines Vermögensverwalters, einer Depotbank und einer Kapitalverwaltungsgesellschaft sollten nie in einer Hand sein.

So verringern Sie Betrugs- und Täuschungsmöglichkeiten.

26. Da wir in einer Welt leben, die keine Kristallkugel besitzt, ist eine Strategie entweder falsch oder richtig bevor wir das Ergebnis kennen. Und nicht umgekehrt.

Allgemein wissen Glückspilze, die ausschließlich Glück hatten, nicht, dass sie nur zufällig Glück hatten. Auch ein gut durchdachter Plan kann scheitern. Aber deshalb war der Plan nicht falsch.

27. Hoffen ist kein Investmentansatz.

Ihre Entscheidungen sollten auf den Erkenntnissen der akademischen Kapitalmarktforschung beruhen. Die einschlägigen Fachjournale veröffentlichen diese Untersuchungen. Diese sind mehrmals auf fachliche Stimmigkeit geprüft. Alles andere werfen Sie bitte weg.

28. Schreiben Sie ein Tagebuch über Ihre Börsenprognosen.

Nach einiger Zeit werden Sie wohl feststellen, dass Sie auf Ihre Prognosen hin nicht handeln sollten.

29. Beim Investieren gibt es nichts neues außer der Finanzgeschichte, die wir nicht kennen.

Wissen über die Finanzgeschichte ermöglicht, Risiken als Risiken zu erkennen und in einem Investmentplan zu berücksichtigen.

30. Guter Rat muss nicht teuer sein; aber schlechter Rat kann für Sie sehr teuer werden: dies gilt dann leider unabhängig vom Preis.

Schlaue Menschen wählen nicht den billigsten Arzt oder Berater aus. Kosten sind wichtig; aber es ist der Mehrwert zu den Kosten, der schließlich zählt.

Literaturhinweise:

(1) eine freie Übersetzung mit persönlichen Ergänzungen und Anpassungen der Appendix A „Rules of Prudent Investing“ aus: Larry E. Swedroe: The Quest for Alpha – The Holy Grail of Investing, Wiley, S. 153 – 158, 2011

(2) Samuelson, Paul: “Asset allocation could be dangerous to your health: Pitfalls in across-time diversification.”, Journal of Portfolio Management, vol. 16, No. 3, Spring 1999, S. 5 – 8

 

Datum der ersten Veröffentlichung: 09.04.2013

Datum der Aktualisierung: 28.02-2014

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