No. 35: Besser mit fünf Renditefaktoren!

von Thomas Freiberger

Was haben fünf Gewürze mit Ihrem Portfolio gemein?

 

„Nichts im Übermaß."

- Solon von Athen, 640 - 560 v. Chr. -

 

 

 

 

 

Die Ursprünge des chinesischen Fünf-Gewürze-Pulvers sind unbekannt. Es liegt der chinesischen Kultur freilich nahe, eine Gewürzmischung, die fünf Elemente vereint - Holz, Feuer, Metall, Wasser und Erde - auch beim Essen anzuwenden. Jedem Element werden dabei besondere Wirkungen zugeschrieben, die den Gewürzen sauer, bitter, scharf, salzig und süss entsprechen. All diese Geschmacksrichtungen sollten in einer ausgewogenen Ernährung enthalten sein, wobei keine davon längere Zeit überbetont oder ganz ausgelassen werden sollte, da dies zu Ungleichheit führen kann.

Wie verbessern verschiedene Werttreiber ähnlich einer Gewürzmischung ein Aktienportfolio? Im folgenden VV-Brief analysieren wir für Sie diese Aussagen. In den vorangehenden VV-Brief No. 33: Substanz gegen Wachstum und VV-Brief No. 34: This time is different? untersuchten wir bereits grundlegende Zusammenhänge.

1. Ein Aktienportfolio sollte verschiedene Werttreiber enthalten

Erfolgreiches Investieren zeichnet sich

  • einerseits durch Vermeiden unsystematischer Risiken

Die Moderne Portfoliotheorie empfiehlt im ersten Schritt unternehmens-, branchen- und länderspezifische Risiken („unsystematisches Risiko“) durch Streuung auf möglichst viele Aktien zu verringern. Deshalb legen wir in unserem Weltaktienportfolio in mehr als 12.000 Einzelaktien aus aller Welt an.

  • andererseits durch bewusstes Ansteuern verschiedenartiger Werttreiber des Aktienmarktes aus.

Im zweiten Schritt sollte das verbleibende Risiko auf die als systematisch erkannten Rendite- oder Risikotreiber verteilt werden. Im Aktienbereich sind dies vor allem das allgemeine Aktienmarktrisiko, der Größen- und Bewertungseffekt. Deshalb legen wir in unserem Weltaktienportfolio nicht nur in große und meist teure, die in einem einfachen Welt-ETF vorherrschen, sondern auch in kleine und günstig bewertete Aktiengesellschaften an.

Nachfolgendes Schaubild gibt einen Überblick über die Rendite- und Risikofaktoren:

 

 

Wie die gute chinesische Küche empfiehlt die Kapitalmarktforschung alle fünf Werttreiber oder Rendite-/ Risikofaktoren eines Aktienportfolios abzudecken, keinen überzubetonen oder gar wegzulassen: Dies sind Markt, Größe, relativer Preis (Value) und Profitabilität. Als fünften Faktor berücksichtigen wir den Faktor Momentum auf der Ebene jedes einzelnen Finanzinstruments (siehe auch: https://www.tfvv.de/faktor-theorie.html).

2. Historisch angespannte Bewertungsverhältnisse

Seit der großen Finanzmarktkrise 2009 würzen viele Anleger bevorzugt mit der Geschmacksrichtung Markt, der klassischen Aktienprämie, wie nachfolgendes Schaubild des Aktienmarkt-Bewertungsniveaus US-amerikanischer Aktien zeigt.

Wenn ein Anleger in den Index S&P 500, der die größten 500 börsennotierten US-Unternehmen beinhaltet, investiert, zahlt er aktuell das 38-fache der durchschnittlichen inflationsbereinigten Gewinne der letzten 10 Jahre:

 

Quelle: Internetseite Robert J. Shiller, eigene Berechnungen

Bewertungsverhältnisse besitzen eine gute Vorhersagekraft über die nachfolgenden langfristigen, erwarteten Renditen. Sind diese Verhältnisse relativ niedrig, wie in den Jahren 1921, 1932, 1981 oder 2009, dann durfte ein Anleger höhere, langfristige Renditen erwarten. Sind diese relativ hoch, wie in den Jahren 1901, 1929, 1966 oder 2000, dann lagen die nachfolgenden Aktienmarktrenditen niedrig:

  • Im Zeitraum 1929 bis 1943:

Im September 1929 überstieg das CAPE-Ratio die Marke von 32. Der S&P 500-Index erzielte im nachfolgenden Zeitraum eine Rendite von 0,3% p.a., wohingegen kurzfristige US-Schatzanweisungen mit 0,7% p.a. rentierten. Die Aktienmarktprämie lag bei negativen 0,4% p.a.

  • Im Zeitraum 1966 bis 1982:

Ende 1965 überstieg das CAPE-Ratio 24. Der S&P 500-Index erzielte im nachfolgenden Zeitraum eine Rendite von 6,8% p.a., wohingegen kurzfristige US-Schatzanweisungen mit 7,0% p.a. rentierten. Die Aktienmarktprämie lag bei negativen 0,2% p.a.

  • Im Zeitraum 2000 bis 2012:

Ende 1999 erreichte das CAPE-Ratio 44. Der S&P 500-Index erzielte im nachfolgenden Zeitraum eine Rendite von 1,7% p.a., wohingegen kurzfristige US-Schatzanweisungen mit 2,1% p.a. rentierten. Die Aktienmarktprämie lag bei negativen 0,4% p.a.

Diese empirischen Feststellungen betreffen allerdings nur den breiten Aktienmarkt, wie hier durch den S&P 500 repräsentiert. Es sind nicht alle Aktienwerte, die diese Bewertungsniveaus teilen:

Sogenannte Wachstumsaktien („Growth“) dominierten in den Jahren 1929, 1966 und 2000 die Entwicklung bekannter Indices. Nachfolgendes Schaubild zeigt historische Bewertungsniveaus anhand der Kurs-Buchwertverhältnisse für Growth-Aktien und günstig bewertete Aktiengesellschaften („Value“). Während für Value-Titel (blaue Kurve) im historischen Durchschnitt der Wert des Buchwerts des Eigenkapitals bezahlt wird, liegt dieser Wert für Growth-Aktien (schwarze Kurve) bei knapp dem Dreifachen des Eigenkapitals. Aktuell sind Anleger sogar bereit, das knapp 12-fache des Buchwertes für teure Aktiengesellschaften zu bezahlen:

Quelle: Kenneth R. French Data Library, Dimensional Fund Advisors, eigene Berechnungen

3. Würzen Sie Ihr Aktienportfolio ausgewogen!

Bewertungsverhältnisse eignen sich nicht, um das Suchen nach den idealen Investitionszeitpunkten zu optimieren („Market Timing“)! Stattdessen weisen uns Bewertungsverhältnisse eindrücklich darauf hin, ein Aktienportfolio ausgewogen zu würzen:

Ein Anleger, der im Jahr 2000 in ein ETF mit nur 1.600 der größten Aktiengesellschaften der entwickelten Welt und somit einseitig in das allgemeine Aktienmarktrisiko investierte, benötigte bis zum Jahr 2013, um sein eingesetztes Kapital wieder zu erlangen - und dies vor Inflation, Steuern, Kosten und entgangenen Zinsen. Dagegen sah ein Anleger, der systematisch über die zusätzlichen Renditetreiber günstig bewertete (Value) und kleine (Small) Aktiengesellschaften streute, bereits in den Folgejahren die Einstandskurse aus dem Jahr 2000 wieder. Je nach Gewürzmischung, also Faktorengewichtung, geschah dies bereits ab 2004:

 

Quelle: Dimensional Fund Advisors, eigene Berechnungen

 

Viele Anleger nutzen die breiten und bekannten Indices S&P 500 und MSCI World oft als alleinige Bausteine ihres Aktienportfolios. Die besonders gute Entwicklung dieser Indices seit 2013 verstärkte dieses einseitige Investitionsverhalten. Nachfolgendes Regressionsschaubild zeigt die Investitonsschwerpunkte des S&P500 (Punkt 6) und des MSCI World (Punkt 5) im Bereich großer und teurer Unternehmen (Large Cap und Growth).

 

 

Die Gewürzgruppen Small Cap (SmB) und Value (HmL) (Punkte 1,2,3 und 4) vernachlässigen Anleger, die ihre Portfolios nur mit dem Wissen und Fortschreiben ihrer Erfahrungen der letzten Jahre abschmecken. Denn die beiden Massenindices S&P500 und MSCI World weisen vergleichsweise niedrige Regressionswerte im Bereich Small Cap und Value auf:

 

Quelle: Dimensional Fund Advisors, eigene Berechnungen

 

Die fünf Aktienfaktoren zeichnen sich durch ein hohes Maß an Individualität oder Unabhängigkeit aus. Folgende Tabelle zeigt die statistischen Beziehungen dieser Faktoren untereinander, auch Korrelationen genannt. Je näher diese Werte, die zwischen -1 und +1 liegen können, um den Nullwert liegen, desto schwächer sind diese Beziehungen. Da die niedrigen bzw. negativen Korrelationen ein hohes Maß an Unabhängigkeit der Faktoren zeigen, eignen sich kleinere (SML), günstigere (HML) und profitablere (RMW) Aktiengesellschaften unter Ausnutzen eines Momentum-Effekts (MOM), um die historisch hohen Bewertungsverhältnisse des allgemeinen Marktrisikos Mkt-RF zu entzerren:

Historische Korrelationen verschiedener Risikofaktoren von 1991 bis 2020

  Mkt-RF SMB HML RMW MOM
Mkt-RF 1,00 0,19 -0,35 -0,40 -0,12

Quelle: Kenneth R. French Data Library, eigene Berechnungen

4. Fazit

Die chinesische Ernährungslehre empfiehlt verschiedenartige Gewürze für eine ausgewogene Ernährung. Ebenso sprechen die ökonomische Logik und historische Datenlage für das dauerhafte Investieren in verschiedene Rendite- und Risikofaktoren. Insbesondere bei angespannten Bewertungsverhältnissen verbessern günstige und kleine Aktiengesellschaften die Erfolgsaussichten für jeden Anleger.

 

 

Datum der ersten Veröffentlichung: 03.08.2021, 17:00h

Datum der Aktualisierung: 03.08.2021

Weiterleitung Übersicht Vermögensverwalterbriefe

Abonnement der Vermögensverwalterbriefe

Angaben gemäß § 85 WpHG

Zurück

Die Site www.tfvv.de benutzt Cookies. Datenschutzerklärung Zustimmen