No. 6: Erhalt des Kapitals oder der Kaufkraft?

von Thomas Freiberger

Der Anleger im Zwiespalt

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„Volatility is immediate and apparent as their portfolio value shows up in the mail every month or on their computer screen every day. Conversely, the risk of investing in bills and other low-volatility assets is less discernible and may take time to detect as it shows up when investors open their wallet at the grocery store or gas station many years later.

Investors may still want to revisit the tradeoffs they made and alter course if appropriate. However, changes to a long-term plan should reflect an informed decision rather than an emotional one. Fear and greed are powerful forces, but we should resist letting them dictate the tradeoffs we make in our lives or in our portfolios.“

Steiman, Brad: The Tradeoff: Preserving Capital or Preserving Purchasing Power, 2012, Dimensional Fund Advisors

 

Die größten Feinde eines Wertpapierportfolios sind vor allem Inflation, Kosten, Steuern, falscher Investmentansatz, fehlende Investmentplanung und Emotionen eines Anlegers. Zu erstem beziehen wir hier Stellung:

Die Verzinsung für defensive Anlagen wie Festgelder, deutsche öffentliche Anleihen oder Pfandbriefe ist seit geraumer Zeit auf einem sehr niedrigen Niveau angelangt.

Nach Abzug der Inflationsrate liegt die Realverzinsung deutscher Staatsanleihen um die null Prozent pro Jahr. Viele Anleger stehen vor dem Zwiespalt, mit defensiven Anlagen die nominale Kaufkraft kurzfristig zu sichern und nominale Schwankungen zu vermeiden, aber keine realen Erträge zu erzielen oder gar einen realen Kaufkraftverlust zu erleiden.

Seit Einführung der DM im Jahre 1948 ist für einen deutschen Anleger diese Situation neu. Noch vor wenigen Jahren war es möglich, mit sehr defensiven kurzfristigen Anlagen in einem Laufzeitbereich zwischen einem bis fünf Jahren die Kaufkraft einer Anlage zu erhalten und eine positive Realverzinsung zu erzielen. Seit 1948 war in Deutschland eine dauerhafte Niedrigzinsperiode nicht bekannt. Selbst mit sehr kurzfristigen Anlagen konnte man zwischen 1970 bis 2010 eine positive Realverzinsung erwirtschaften (siehe folgende blaue Kurve):

 

 

Ein Blick auf andere Anlagemärkte, die eine längere Geschichte ohne Kriegszusammenbruch vorweisen, wie den USA, zeigt ein anderes Bild. Ohne Unterbrechung wurde von 1933 bis 1951 mit einer Anlage in US-Schatzanleihen mit einer Laufzeit von einem Monat real Geld verloren:

 

 

Der kumulative reale Verlust für kurzlaufende US-Staatsanleihen über den Zeitraum von 19 Jahren von 1933 bis 1951 war 47%. Es dauerte anschließend 48 Jahre diesen Verlust wieder auszugleichen:

 

 

Eine negative Verzinsung für sichere Anlagen, wie kurzlaufende US-Staatsanleihen, war keine Ausnahmesituation:

Im Gesamtzeitraum 1927 bis 2012 erzielten kurzlaufende US-Staatsanleihen in 33 von 86 Kalenderjahren, also in 38% aller Jahre, negative reale Renditen.

Diese genannten Perioden zeichneten sich durch sehr niedrige Zinsen von Seiten der Zentralbanken bei ökonomischer Depression in den 30er Jahren und erhöhten Staatsschulden in den 40er und Beginn der 50er Jahren aus.

Im Ergebnis ist es möglich und nicht ungewöhnlich, mit Anlagen mit großer nominaler Sicherheit, reale Wertverluste zu erleiden. Ökonomisch nachvollziehbar, denn Staatsanleihen zählen zu den sichersten Anlagen der Welt. Es galt, gilt und wird der Grundsatz gelten:

Ist das Risiko sehr gering, wird die erwartete Rendite sehr gering sein.

"Es gibt nur eine Lösung, die Kaufkraft langfristig und dauerhaft zu erhalten - mehr Risiko!"

Eine Erhöhung der erwarteten langfristigen und dauerhaften realen Rendite eines Wertpapierportfolios ist nur durch das Eingehen von mehr systematischen Risiken möglich. Das bedingt aber auch eine höhere Schwankungsintensität eines Portfolios.

Eine höhere Schwankungsintensität ist der Preis, der für  eine höhere erwartete Rendite bezahlt werden muss.

Mehr systematisches Risiko bedingt einen höheren Aktienanteil im Portfolio. Ohne breit gestreute unternehmerische Beteiligungen in Form von Aktien wird ein Realwerterhalt eines liquiden Vermögens kaum möglich sein.

Vielfach wird argumentiert, Aktien entwickeln sich in einem inflationären Umfeld besser als Renten. Statistisch gesehen ist dies falsch. Die Korrelation zwischen dem S&P500 und US-CPI lag von 01/1926 bis 04/2012 bei minus 0,005; die Korrelation des DAX und deutsche Verbraucherpreise von 01/1970 bis 04/2012 bei minus 0,004. Die Korrelation oder der Zusammenhang zwischen Aktien und Inflation liegt bei Null, also unkorreliert. Aktien und Inflation hängen also nicht zusammen. Dennoch entwickeln sich Aktien längerfristig besser als die Inflationsrate.

Warum?

Die Wertpapiermärkte preisen Risiken ein. Sie „belohnen“ die Inkaufnahme von Risiko. Märkte spiegeln ein Grundprinzip der Marktwirtschaft wieder, unternehmerische Risiken im Durchschnitt zu belohnen. Dies gilt nicht in jedem Einzelfall, sonst wäre es kein Risiko. Dehalb streuen wir über 11.200 einzelne Unternehmen. Die Märkte geben einen Anreizmechanismus, der immer so groß sein muß, dass das individuelle Eingehen unternehmerischer Risiken wegen der erwarteten Rendite erstrebenswert bleibt.

"Die Märkte preisen Risiko ein - und sonst nichts!"

Mehr Aktien im Portfolio verbessern die erwartete reale Rendite, nicht aufgrund eines Zusammenhangs mit der Inflation, sondern weil Aktien nominal und ex-ante (im Vorhinein) riskanter als Festgeld oder Staatsanleihen erscheinen.

Aktien schwanken heftiger als Staatsanleihen. Dennoch verbesserten Aktien die reale Rendite eine Portfolios:

Die realen Erholungsphasen von Aktien nach einem allgemeinen Kursrückgang waren historisch wesentlich kürzer als bei Renten. Dies liegt an der im Vergleich zu Aktien niedrigeren Verzinsung von Renten. Die Verzinsung von Renten muss über einen längeren Zeitraum real niedriger als bei Aktien sein, denn ansonsten wäre der marktwirtschaftliche Zusammenhang der Entlohnung für die unternehmerische Risikonahme außer Kraft gesetzt. Die Märkte preisen Risiko ein und sonst nichts!

Ein Beispiel:

US-Aktien durchliefen zwischen 1929 und 1931 eine Phase sehr schlechter Wertentwicklung. Sie fielen real um 60% (siehe nachfolgende Tabelle). Die schlechteste Wertentwicklung für sehr kurzlaufende US-Schatzanweisungen war zwischen 1933 bis 1951. Sie fielen real um 47% (siehe Tabelle auf S. 3). Von ihren Tiefständen erholten sich aber Aktien in wesentlich kürzerer Zeit als Festgeld oder Staatsanleihen. Vom Tiefpunkt der Kursentwicklung auf realer Wertbasis gerechnet dauerte die Erholungsphase von US-Aktien nach 1931 nur vier Jahre.

US-Schatzanweisungen mussten ab 1951 48 Jahre im Portfolio bleiben, um wenigstens real das Ausgangsniveau von 1933 wieder zu erreichen (siehe Tabelle auf S. 3). US-Schatzanweisungen mit etwas längerer Laufzeit, brauchten vom Höchststand 1940 eine unwesentlich kürzere Periode, nämlich 45 Jahre, bis 1985. Aktien waren real und ex-post (im Nachhinein) weniger riskant als Festgeld oder kurzlaufende Staatsanleihen.

 

 

"Es geht nicht um Aktien oder Anleihen, sondern um Aktien als auch Anleihen in einem vernünftigen Verhältnis abgestimmt!"

Aktien erscheinen riskanter als Festgeld oder Staatsanleihen, da sie in kurzen Zeiträumen heftig an Wert verlieren können. Sie besitzen hohe Schwankungen. Aktien holten die Verluste jedoch real in relativ kurzer Zeit wieder auf.

Demgegenüber erscheinen sichere Anlagen, die festverzinslich und für kurze Zeit in Festgeld oder Staatsanleihen angelegt sind, vergleichsweise sicher. Verluste sind nominal nicht sichtbar. Ebenfalls schwanken sichere Anlagen kaum.

Bei Berücksichtigung der Kaufkraft gilt dies jedoch nicht. Reale Verluste sicherer Anlagen konnten erst nach sehr langen Zeiträumen wieder ausgeglichen werden.

Ein gut strukturiertes Portfolio aus sicheren Anlagen das mit Aktien ergänzt wird und individuell auf das persönliche Profil eines Anlegers zugeschnitten ist, weist aus kaufkrafterhaltender Sicht sehr gute Risiko- und Renditeprofile auf. Denn es geht nicht um Aktien oder Renten, sondern um Aktien als auch Renten in einem vernünftigen Verhältnis abgestimmt. Deshalb ist ein Investmentplan im Rahmen einer finanziellen Lebensplanung wichtig.

"Der Realwerterhalt des Kapitals ist nur mit mehr Risiko möglich!"

Wir empfehlen:

Um der Gefahr eines schleichenden Kaufkraftverlustes einer Anlage zu entgehen, ist die zu erwartende Rendite zu erhöhen.

Der Anleger ist vor einem Zwiespalt:

Er kann den nominalen Werterhalt seine Portfolios sichern, indem er sehr defensive Anlagen, wie Festgelder bei Banken, die der deutschen staatlichen Einlagensicherung angehören oder deutsche Staatsanleihen wählt. Grundsätzlich wird die Verzinsung aufgrund der aktuellen Niedrigzinspolitik auf oder unter der Inflationsrate liegen. Der Nominalwert des Kapitals ist zwar gesichert. Bei Weiterbestehen der aktuellen Zinssituation und einer auch moderaten Inflationsrate führt dies zu einem Kaufkraftverlust.

Der Anleger möchte die Kaufkraft seines Portfolios sichern. Um die niedrigen Zinsen im defensiven Teil des Portfolios auszugleichen, ist mehr Rendite im offensiven Teil erforderlich. Mehr Rendite kann nur mit mehr Risiko erlangt werden. Die Märkte preisen Risiko ein und belohnen Risiko mit einer erwarteten positiven Prämie. Das zusätzliche Risiko äußert sich einer größeren Schwankungsintensität des Portfolios. Diese unangenehme Seite des Risikos wird mit mehr erwarteter, da nicht garantierter, Rendite belohnt. Der Realwerterhalt des Kapitals ist nur mit dieser zusätzlichen Risikoprämie möglich.

Da wir keine Aussage über die Zukunft treffen können, benutzen wir Erfahrungen aus der Vergangenheit. Sie gibt uns eine Anleitung ab welchen Anlagezeiträumen und bei welcher Aktienquote die reale Rendite positiv sein könnte.

Nominaler oder realer Erhalt der Kaufkraft, beides kann abhängig von den persönlichen Zielsetzungen eines Anlegers richtig, falsch oder auch in der Kombination richtig sein. Deshalb sollten Sie mit einem Vermögensverwalter einen Investmentplan für Ihr gesamtes Vermögen abstimmen.

Literaturhinweis:

Steiman, Brad: The Tradeoff: Preserving Capital or Preserving Purchasing Power, Dimensional Fund Advisors, 2012

 

Datum der ersten Veröffentlichung: 09.04.2013

Datum der Aktualisierung: 28.02.2014

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