No. 26: Inflation?

von Thomas Freiberger

Welche Anlage schützt vor Inflation?

Inflation_Aktien_Geldanlage
 
Die Inflationsrate in der Eurozone stieg im letzten Februar auf 2% im Vergleich zum Vorjahresmonat. Vor einem Jahr betrug diese Zahl noch minus 0,2%.
 
Inflation vermindert als Kostenfaktor die erwartete nominale Rendite von Vermögensanlagen. Wir arbeiten in diesem VV-Brief die Finanzinstrumente heraus, die besonders gut vor Inflation schützen. Und sie werden vielleicht überrascht sein, nein, es sind nicht Aktien! Wir schließen unseren VV-Brief mit einem Rechenbeispiel zu inflationsgeschützten Anleihen – für die Leser, die eine finanzmathematische Denkaufgabe suchen.
 
Was bedeuten die aktuellen Inflationszahlen wirklich?

Sondereinflüsse können die Daten weniger Monate überlagern:

a) Insbesondere verzerren aktuell Basiseffekte die Inflationszahlen. Vor einem Jahr waren die Preisdaten niedrig, so dass nach einer Normalisierung über den Jahresverlauf der Preisanstieg im Winter 2016/2017 hoch erscheint.

b) Vor allem stiegen die Energiepreise im Jahresverlauf um 9,2% an, was bei deren Gewichtung in Höhe von 9,5% im harmonisierten Index der Verbraucherpreise in der Eurozone (HICP) sehr einflussreich ist. Weiterhin stiegen Nahrungsmittel um 5,2% an.

Eine Aussage zur Inflationsentwicklung, die auf Daten weniger Monate basiert, ist nicht fundiert.

Der Inflationsanstieg fällt geringer aus, wenn wir die Rate ohne Energiepreise und Nahrungsmittel, die erheblich schwanken, rechnen. Diese sogenannte Kerninflationsrate betrug im Februar nur 0,9% im Vorjahresvergleich.
 
Unabhängig vom heutigen Stand der Inflationszahlen blickt ein Anleger in die Zukunft und möchte wenigstens keinen Kaufkraftverlust erleiden.
 
Ob die Inflationsrate steigen, fallen oder gleich bleiben wird, wissen wir nicht. Unsere Prognose wird immer zufällig richtig oder falsch sein.
 
Dennoch geben uns die Kapitalmärkte gute Hinweise zu folgender Frage:

Welches Finanzinstrument schützt am besten vor steigenden Inflationsraten?

Ein Finanzinstrument schützt dann vor einem Anstieg der Inflationsrate, wenn es einen hohen Gleichlauf (in der Finanzsprache hohe Korrelation) mit der Inflationsrate aufweist. Das Finanzinstrument sollte ansteigen, wenn die Inflationsrate ansteigt und umgekehrt.
 
Alle Finanzinstrumente bieten einen gewissen Schutz vor einer erwarteten Inflation. Ein Finanzinstrument eignet sich besonders gut als Inflationsschutz:
 
Geldmarktanlagen oder kurzlaufende Anleihen weisen den höchsten Gleichlauf mit der Inflationsrate auf und sichern deshalb am wirkungsvollsten vor Änderungen der Inflationsrate.
 
In den Jahren 1985 und 2016 war die Korrelation zwischen der Inflationsrate für Konsumenten und Geldmarkzinsen und kurzfristigen Bundesanleihen (1 bis 3 Jahre Restlaufzeit) in Deutschland mit 0,6 und 0,4 relativ hoch (Ein Wert von 1 bedeutet den vollkommenen positiven Gleichlauf, der Wert -1 den vollkommenen negativen und 0 keinen Gleichlauf).
 
Geldmarktanlagen oder kurzlaufende Anleihen können negative Realzinsen aufweisen. Diese realen Kosten sind jedoch der Preis für deren hohe Sicherheit und Verfügbarkeit und sollten nicht mit einem fehlenden Inflationsschutz verwechselt werden (siehe unseren VV-Brief No. 22 „Enteignung der Sparer?“).
 
Vor allem steuern die Notenbanken die Zinsen, insbesondere die kurzfristigen Zinsen. Die entscheidenden Zinssteuerungsgrößen der Notenbanken sind die gegenwärtige Inflationsrate, das Inflationsziel und die reale und potentielle Wirtschaftsauslastung einer Ökonomie (sog. Taylor-Rule). Deshalb steigen die kurzfristigen Notenbankzinsen, sobald eine Notenbank die Entwicklung einer Inflationsrate als nachhaltig ansteigend ansieht. Die Entscheidungen einer Notenbank wirken sich unmittelbar auf die kurzfristigen Anleihezinsen aus und verursachen den hohen Zusammenhang zwischenkurzfristigen Zinsen und der Inflationsrate.
 
Fälschlicherweise verwechseln viele Anleger hohe erwartete Renditen, die z.B. Aktien bieten, mit Inflationsschutz.
 
Hohe erwartete Renditen entstehen aus einem höheren systematischen Risiko einer Anlage. Aktien weisen eine positive erwartete Rendite auf, gerade weil diese Unternehmensbeteiligungen ein hohes Schwankungsrisiko besitzen. Diese Eigenschaft sollte jedoch nicht mit Inflationsschutz verwechselt werden. Rohstoffe, Edelmetalle, Immobilien und Aktien werden zwar häufig von Beratern als Geldanlage mit Inflationsschutz empfohlen, weisen aber statistisch keinen eindeutigen Zusammenhang mit Inflationsraten auf.
 
Zwischen 1985 und 2016 betrug beispielsweise der Korrelationskoeffizient des DAX und der deutschen Inflationsrate 0,13. Die Wertentwicklung der großen deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften hängt folglich statistisch nicht mit der deutschen Inflationsrate zusammen.
 
Was schützt vor unerwarteten Inflationssprüngen?
 
Inflationsgeschützte oder -indexierte Anleihen (sog. TIPS, treasury inflation-protected securities) bieten gegenüber Anleihen, die mit einem festen nominalen Kupon ausgestattet sind und bei Fälligkeit zum Nominalwert getilgt werden, einen zusätzlichen Schutz:
 
Inhaber inflationsindexierter Bundeswertpapiere erhalten neben einer fixen jährlichen Zinszahlung und Rückzahlung mindestens zum Nennwert zusätzlich einen Inflationsausgleich der Zinszahlung und des Rückzahlungsbetrags.
 
Mit einer TIPS kauft ein Anleger ein festes Realzinsniveau bis zur Tilgung der Anleihe und sichert sich somit gegen unerwartete Änderungen der Inflationsrate ab.
 
Was jedoch Anleger und deren Berater häufig übersehen: TIPS besitzen ein Kursrisiko wie normale Anleihen!
 
Das erwartete Realzinsniveau kann sich in der Zukunft ändern, was TIPS zwar nicht einem Nominalzinsänderungsrisiko wie normale Anleihen, aber einem Realzinsänderungsrisiko aussetzt.
 
Deshalb empfehlen wir:
 
Im gegenwärtigen Realzinsumfeld, das im historischen Vergleich niedrig ist, raten wir von TIPS ab. Denn TIPS schützenzwar vor unerwarteten Sprüngen in der Inflationsrate, sichern jedoch nicht Veränderungen des Realzinsniveaus ab. Viele TIPS-Fonds besitzen zudem eine sehr lange Laufzeit ihres Anleihebestandes. Dies kann zusätzlich das Realzinsänderungsrisiko verstärken. Weiterhin sind die meisten TIPS europäischer Prägung in Ländern mit höheren historischenInflationsraten, wie Frankreich oder Italien, aufgelegt. Aufgrund möglicher Änderungsrisiken in der EUR-Zone sollten diese Länderschwerpunkte vermieden werden.
 
Wenn Sie als Anleger die Kaufkraft Ihres Vermögens erhalten wollen, sollten Sie in ein auf Ihre Risikotragfähigkeit abgestimmtes Wertpapierportfolio aus kurz- bis mittelfristig laufenden Anleihen und einem Weltaktienportfolio mit tausenden Aktien investieren! Und:
 
Hände weg von TIPS!
 
Technischer Teil:
 
Ein Berechnungsbeispiel zu TIPS
 
Der Inflationsschutz einer inflationsindexierten Bundesanleihe bezieht sich auf die Veränderung der harmonisierten Verbraucherpreise der EUR-Zone (HVPI). Die aktuelle Inflationsrate des HVPI-Index liegt bei 2,0% (Februar 2017). Aktuell liegt die Rendite einer inflationsgeschützten Bundesanleihe mit einer neunjährigen Laufzeit bei real minus 1,06% p.a. (Stand 06.03.2017). Die Vergleichsrendite einer normalen Bundesanleihe mit ähnlicher Laufzeit beträgt nominal 0,32% p.a. Der Renditeunterschied zwischen beiden Bundesanleihen von 1,38% p.a. ergibt die in der indexierten Bundesanleihe eingepreiste Inflationserwartung. Sollte die Inflationsprognose eines Anlegers für diesen Zeitraum größer als 1,38% p.a. sein, wozu eine Februarrate von 2,0% verleiten könnte, dann wäre folgender Tausch möglich: von der ungeschützten in die geschützte Bundesanleihe.
 
Doch ist dieser Tausch sinnvoll?
 
Der Anleger tauscht in eine inflationsgeschützte Anleihe mit einem gesicherten Realzinsniveau von minus 1,06% p.a. und einer Restlaufzeit von neun Jahren. Doch was passiert, wenn das erwartete Realzinsniveau innerhalb eines Jahres auf 1% p.a. ansteigt? Mit einer einfachen Daumenregel ist der Kursverlust auf 18% zu schätzen (2% Zinsänderung mal neun Jahre Laufzeit). Sollte das historische Realzinsniveau von 2% wieder erreicht werden, dann läge der Kursverlust bei 27%.
 
Ein Anleger, der seine Anleihe bis zur Endfälligkeit 2026 hält, wird trotz zwischenzeitlicher Kursschwankungen sein ursprünglich gekauftes Realzinsniveau von minus 1,06% p.a. erzielen.
 
Aber:
 
Ein Anleger, dem diese Zusammenhänge nicht bewusst sind, könnte mit inflationsgeschützten Anleihen unerwartete und unerklärliche Überraschungen in Form heftiger Kursschwankungen erleben.
 
Literaturhinweise:
 
Ang, Andrew: Asset Management – A systematic Approach to Factor Investing Oxford University Press, 2014, insbesondere Kapitel 8,9,11
Swedroe, Larry E./Kizer Jared: The Only Guide to Alternative Investments You’ll Ever Need, Bloomberg Press, 2008, Kapitel 2

 

Datum der ersten Veröffentlichung: 29.03-2017, 16:40h

Datum der Aktualisierung: 29.03.2017

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